Hallo und Herzlich willkommen zur heutigen Podcastfolge.
Für alle, die es noch nicht wissen:
Mein Name ist Jil und ich habe gar keine Lust mehr darauf hier meine Titel aufzulisten. Aber es hilft natürlich zu verstehen in welche Richtung das Ganze hier geht 🙂
Ich bin Wirtschaftspsychologin und habe unter anderem viele Jahre im HR gearbeitet, im Recruiting und in leitenden Positionen als CHRO. Ich begleite aber auch Menschen in beruflichen und privaten Kontext als Coach und als Trainerin. Und ich bin Künstlerin.
Hier geht es um meine Einblicke, Erfahrungen und Ideen zu allem, was mich beschäftigt. Also alles, was mir so in meinem Kopf rumschwirrt. Und das sind oft Gedanken zum Human Resources und was sich da alles so aus meiner Sicht ändern darf. Deshalb nenne ich es an dieser Stelle einfach mal „HR 3.0“, aber auch um meinen Alltag als Coach und so weiter und so fort.
Jetzt aber mal zur Sache:
Der unbeliebte Job des Recruiters
Wenn ich Recruiter* frage, dann hat auf den Job eigentlich niemand mehr so richtig Lust. Viele Recruiter sind ausgebrannt, weil der Druck enorm groß ist. Auf der einen Seite gibt es kaum Bewerber – jedenfalls keine, die sich aktiv bewerben und auf der anderen Seite soll man als Recruiter liefern. Da beißt sich die Katze in den Schwanz und man kann das Rad schlichtweg nicht jeden Tag neu erfinden. Dazu kommt dann auch noch, dass sich der Job des Recruiters inhaltlich sehr gewandelt hat. Überspitzt gesagt ging es früher weitaus mehr um eignungsdiagnostische Fähigkeiten der Recruiter, also die Fähigkeit, auch dank bestimmter Methoden, den besten der besten Bewerber herauszufiltern, wohingegen es heute eher um Vertriebs-Fertigkeiten geht, also eher darum überhaupt Bewerber an Land zu ziehen. Über Eignungsdiagnostik wollen wir da mal gar nicht reden.. Aber das ist ein anderes Thema.
Zurück zur Sache: Hat man dann also mal endlich mal einen geeigneten Kandidaten für eine Position gefunden, ist die Chance verdammt groß, dass unterwegs, also innerhalb des Bewerbungsprozesses doch noch etwas schief geht. Bewerber werden ja von mehreren Unternehmen umworben. Darauf sind viele Prozesse nicht ausgelegt. Lange Antwortzeiten, keine Klarheit wo man im Prozess steht oder unangemessen aufwändige Case Studies die zu bearbeiten sind, sind Killer..
Jede Zahl zählt
Fakt ist, im Recruiting wird um jeden um jeden Bewerbungsprozess gekämpft. Gewonnen hat man, wenn der Bewerbungsprozess zu einer Einstellung führt. Es ist tatsächlich ein War Of Talents. Vor 10 Jahren hat man den Kampf kommen sehen aber nicht wirklich etwas dagegen getan. Heute ist er da. Tada!
In vielen Unternehmen kämpft man auf Nebenkriegsschauplätzen statt sich gut aufzustellen. Zum Beispiel, in dem man den Druck im HR erhöht, zum Beispiel durch KPIs. Recruiter sollen mehr Active Sourcing betreiben, mehr Vorstellungsgespräche führen, etc.
Ich gebe zu.. Wenn ich mich so umsehe, gibt es an vielerlei Stelle im Recruiting Potenzial sich den aktuellen Marktgegebenheiten anzupassen.
Auf mich wirkt es oft, als stünde man hilflos mit dem Rücken zur Wand, versucht mit ein paar Benefits und einem schnelleren Bewerbungsprozess gegen die Situation anzukämpfen. Und natürlich damit Kandidaten aktiv anzuschreiben.
Aber all das tun alle. Das sieht man nicht zuletzt daran, dass der Markt auch für Personalvermittler aktuell nicht leicht ist. Alle fischen im gleichen Teich. Je nach Branche antworten Bewerber auf Nachrichten schon gar nicht mehr, weil sie maximalst genervt sind.
Auch wenn ich Aufholpotenzial im Recruiting selbst sehe, wird mit falschen Mitteln versucht sich am Markt zu positionieren. KPIs helfen hier aus meiner Sicht einfach überhaupt nicht. Außer, dass man irgendwie versucht sichtbar zu machen was sowieso nicht da ist.
Wer ernten will, muss sähen
Ahhh.. es werden zu wenig Leute eingestellt? Dann lasst uns doch mal einen Blick in die Zahlen werfen. Was ein Quatsch. Wenn ich Blumen pflanzen will, dann geh ich ja auch nicht ständig mit der Lupe hin und gucke, ob aus der Erde jetzt endlich mal Pflänzchen kommen. Nein. Ich kaufe Samen und pflanze neu. Und dann hab ich auch Gebrauch für die Lupe.
Durch KPIs ohne wirkliche Veränderungen präsentiert hält man dem Recruiting doch permanent nur selbst das eigene Versagen vor. Das Versagen kannst du dir in Anführungszeichen vorstellen..
Denn ehrlich gesagt denke ich, das Versagen wird hier nur Einfacherweise zugeschrieben. Das Problem liegt mitunter woanders..
Ende 2022, als ich ein für mich wirklich grandioses Jahr in Sachen Beruf hinter mir hatte, habe ich mich entschieden noch mal in die Festanstellung zu gehen. Ich erinnere mich an mehrere Gespräche für leitende Positionen im Human Resources. Immer wieder war das Kernthema das Recruiting und wie ich zukünftig dafür sorgen würde, dass das Unternehmen als Arbeitgeber gut dasteht. Meine Antwort lautete immer: Authentisch sein. Vertrauen zu Bewerbern aufbauen. Netzwerken. Kontakt halten.
Bei einigen Positionen habe ich in verwirrte Recruiter-Gesichter gesehen und bin ich schon in der ersten Runde mit dem HR-Team rausgeflogen. Krass, dachte ich.
Deutsche Recruiting-Kultur at its best
Ich hatte den Eindruck alle jammern aber keiner will neue Wege ausprobieren.
Und ich kam mit einem ganz anderen Mindset um die Ecke, weil ich 2022 durch meine internationale Arbeit erleben durfte, wie es anders gehen kann. Durch das Weiten meines Blickfeldes und durch authentisches Netzwerken hatten sich in vielerlei Hinsicht tolle Möglichkeiten geboten. Meine Vision war es, genau das nach Deutschland zu bringen. Und das habe ich im Kleinen auch getan.
Ich habe Kontakt zu Bewerbern aufgebaut, die über einzelne Gespräche hinausgehen. Ich baue langfristige Verbindungen auf. Wir alle wissen: Wem man vertraut, von dem kauft man.
Die Vorstellungsgespräche, die ich mit Kandidaten führe sind anders. So sagen es viele meiner Gesprächspartner hinterher. In den meisten Fällen gibt es einen sicheren Rahmen für authentischen Austausch und Begegnung. Und genau darum geht es doch: Wir wollen doch wirklich verstehen, wer der Mensch ist, der uns gegenüber sitzt. Was ihn motiviert, was ihn demotiviert. Und ob das zur Kultur passt, die das Unternehmen lebt. Ob dieser Mensch auf dieser Position aufblühen und damit einhergehend einen guten Job machen kann.
Unter Zeitdruck und in Eile führt man solche Gespräche nicht. Und was helfen dann 10 statt 5 Gespräche, wenn sie nicht gut vorbereitet sind und Bewerber sich für einen anderen Job entscheiden.. Die Frage ist deshalb eben nicht: Wie viele Gespräche wurden geführt? Die Frage ist: Wie viele gute Gespräche wurden geführt?
Es braucht im Recruiting inspirierende und authentische Menschen, die ein Gespür für ihr Gegenüber haben und gleichzeitig verkaufen können. Und es braucht Unternehmen, die dem Recruiting den kreativen Rahmen und die Authentizität ermöglichen, die es benötigt.
Und das startet mit Umdenken im Gesamten